Termin: 24.01.2009
Ort: H 201 (Hochzeitshaus, 2. Stock)
Beginn: 10.00 Uhr c.t.
10.15: Begrüßung und einleitende Worte
Anamaria Carabeu (Studentin – EuroEthno, Kunstgeschichte, Denkmalpflege –, Universität Bamberg)
10.30: Der Studierende als Showmaster oder Die Kunst, die Fragen zu stellen, deren
Antworten man schon weiß.
Dipl.-Päd. Michael Schmitt (Student – LaB –, Universität Bamberg)
11.15: Ehr(Furcht)? Über den Schrecken des wissenschaftlichen Diskurses.
Arthur Depner (Student – EuroEthno, Philosophie, Ev. Theo. –, Universität Bamberg)
12.00: Seitenblicke. Ein Exkurs in das kunsthistorische Sehen.
Heidrun Lange (Studentin – Kunstgesch., Gesch. d. F. N., Germanistik –, Universität Augsburg)
Moderation der Diskussionen: Katharina Scheffner
12.45 -14.00 Pause
14.15: Historiker als Stütze der Gesellschaft. Analyse von Herrschaftsbedingungen und Aktualisierung populärer Geschichtsbilder.
Manuel Manhard (Student – Geschichte d. F. N., EuroEthno, Politik –, Universität Augsburg)
15.00: „Denk’ nicht, sondern schau’!“. Sieben pragmatische Aphorismen über die Geisteswissenschaften.
MA Stefan Petzuch (Studium der Philosophie an der Hochschule für Philosophie München; arbeitet nun in der freien Wirtschaft)
15.45: Sozioprudenz. Zu einer Neuakzentuierung der Kultur- und Sozialwissenschaften.
Dr. Joachim Fischer (wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Philosophie I, Universität Bamberg)
Moderation der Diskussionen: Arthur Depner
Ab ca. 16.30: offene Diskussion
Dienstag, 20. Januar 2009
Ehr(Furcht)? Über den Schrecken des wissenschaftlichen Diskurses.
Als Student geht man anfangs ehrfürchtig an die Texte und Gedanken der Großen Namen heran. Man liest (zuhause) oder hört zu (in den universitären Veranstaltungen), versteht zuerst nichts, oder nur wenig, und bewundert die Fähigkeit des Autors bzw. des Redners derart komplexe Sachverhalte zu thematisieren, die einem selbst so noch nie aufgefallen waren. Wenn jedoch das Verständnis zu lange auf sich warten lässt, kann die Bewunderung auch schnell in Langeweile und Ablehnung des Gesagten oder Geschriebenen umschlagen. Falls man dann auch noch das Pech hat, über einen solchen Text ein Referat halten oder eine Arbeit schreiben zu müssen, bleibt einem oft nichts weiter übrig, als schlicht dessen Inhalt so gut wie möglich wiederzugeben und zu hoffen, dass man sich zumindest hierbei keine Blöße gibt.
So, oder so ähnlich könnte der erste Kontakt mit der großen weiten Welt der Wissenschaft aussehen. Der „Angst des Forschers vor dem Feld“ könnte also bereits eine „Angst des Studenten vor der intellektuellen Macht“ vorausgehen. Beide male sieht sich der „Angsthase“ einem Gegenüber ausgeliefert, das potentiell eine Bereicherung für ihn darstellen könnte; jedoch ist der Ausgang der Konfrontation mit diesem eher ungewiss. Besonders schwerwiegend ist die Tatsache, dass in beiden Fällen über diese Konfrontation vor einem Publikum berichtet werden muss und die gemachten Erfahrungen bzw. gewonnenen Erkenntnisse den Erwartungen dieses durchaus kritischen Publikums zumindest weitgehend entsprechen müssen. Wer sich in wissenschaftlichen Gefilden herumtreibt steht unter der ständigen Beobachtung einer Jury, die dem eigenen Denken, Handeln und Sprechen erst durch deren Bewertung einen „Sinn“ gibt bzw. über dessen Relevanz entscheidet und einem auf diese Art und Weise eine Teilhabe an der „intellektuellen Macht“ ermöglicht (um dann anderen Angst einzujagen?).
Ausgehend von diesem fiktiven (?) Sachverhalt soll auf Foucaults Theorie des geregelten Diskurses aufbauend, der wissenschaftliche Diskurs selbst als Moment eines Ausschließungs- und Machtverteilungsmechanismus dargestellt werden. Dies soll dann weiter mit an Max Scheler angelehnten wissensphilosophischen Ansätzen, sowie dessen Sozialtheorie in Verbindung gebracht werden. Darüber hinaus soll der Frage nachgegangen werden, ob nicht der Einstieg in den wissenschaftlichen Diskurs einer Umkehrung von Kierkegaards „irrationalem Sprung“ gleicht, insofern die Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Fragestellungen und Inhalten zunächst als ein "Fallenlassen" in die Möglichkeiten des eigenen Verstandes und in einen neuen Lebensentwurf hinein gesehen werden kann. Dabei bleibt die frage offen, wie sich hier die Begriffe "rational" und "irrational" zuordnen lassen.
Angaben zur Person:
Arthur Depner
26 Jahre
Student der Europäische Ethnologie (9. Sem.), Philosophie und Ev. Theologie (je im 3. Sem.)
So, oder so ähnlich könnte der erste Kontakt mit der großen weiten Welt der Wissenschaft aussehen. Der „Angst des Forschers vor dem Feld“ könnte also bereits eine „Angst des Studenten vor der intellektuellen Macht“ vorausgehen. Beide male sieht sich der „Angsthase“ einem Gegenüber ausgeliefert, das potentiell eine Bereicherung für ihn darstellen könnte; jedoch ist der Ausgang der Konfrontation mit diesem eher ungewiss. Besonders schwerwiegend ist die Tatsache, dass in beiden Fällen über diese Konfrontation vor einem Publikum berichtet werden muss und die gemachten Erfahrungen bzw. gewonnenen Erkenntnisse den Erwartungen dieses durchaus kritischen Publikums zumindest weitgehend entsprechen müssen. Wer sich in wissenschaftlichen Gefilden herumtreibt steht unter der ständigen Beobachtung einer Jury, die dem eigenen Denken, Handeln und Sprechen erst durch deren Bewertung einen „Sinn“ gibt bzw. über dessen Relevanz entscheidet und einem auf diese Art und Weise eine Teilhabe an der „intellektuellen Macht“ ermöglicht (um dann anderen Angst einzujagen?).
Ausgehend von diesem fiktiven (?) Sachverhalt soll auf Foucaults Theorie des geregelten Diskurses aufbauend, der wissenschaftliche Diskurs selbst als Moment eines Ausschließungs- und Machtverteilungsmechanismus dargestellt werden. Dies soll dann weiter mit an Max Scheler angelehnten wissensphilosophischen Ansätzen, sowie dessen Sozialtheorie in Verbindung gebracht werden. Darüber hinaus soll der Frage nachgegangen werden, ob nicht der Einstieg in den wissenschaftlichen Diskurs einer Umkehrung von Kierkegaards „irrationalem Sprung“ gleicht, insofern die Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Fragestellungen und Inhalten zunächst als ein "Fallenlassen" in die Möglichkeiten des eigenen Verstandes und in einen neuen Lebensentwurf hinein gesehen werden kann. Dabei bleibt die frage offen, wie sich hier die Begriffe "rational" und "irrational" zuordnen lassen.
Angaben zur Person:
Arthur Depner
26 Jahre
Student der Europäische Ethnologie (9. Sem.), Philosophie und Ev. Theologie (je im 3. Sem.)
Donnerstag, 15. Januar 2009
„Denk nicht, sondern schau!“ Sieben pragmatische Aphorismen über die Geisteswissenschaften
„Anders ist der Studierplan, den sich der Brotgelehrte, anders derjenige, den der philosophische Kopf sich vorzeichnet. Jener, dem es bei seinem Fleiß einzig und allein darum zu tun ist, die Bedingungen zu erfüllen, unter denen er zu einem Amte fähig und der Vorteile desselben teilhaftig werden kann,[… ] ein solcher wird beim Eintritt in seine akademische Laufbahn keine wichtigere Angelegenheit haben, als die Wissenschaften, die er Brotstudien nennt, von allen übrigen, die den Geist nur als Geist vergnügen, auf das Sorgfältigste abzusondern.“
Friedrich Schiller in seiner Antrittsvorlesung „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte“ als Professor für Geschichte an der Universität Jena 1789
Dieses Zitat aus Schillers Antrittsvorlesung – die laut zeitgenössischen Quellen wahre Begeisterungsstürme erweckte und wohl an jedem geisteswissenschaftlichen Seminar auch heute noch auf große Zustimmung stoßen wird – zeigt, dass der Konflikt zwischen „Brotgelehrten“ und „Philosophischen Köpfen“ – oder anders formuliert „Pragmatikern“ und „Idealisten“ – in der akademischen Welt wohl fast so alt ist wie diese selbst. Er wird dann besonders virulent, wenn akademische und außerakademische Welt aufeinandertreffen, sei es gesamtgesellschaftlich (z. B. bei Verteilungskämpfen um Bildungsetats) oder zwischenmenschlich (bei familiären Diskussionen hinsichtlich der Studienwahl).
Die Geisteswissenschaften sind von diesem Diskurs besonders betroffen. Standen sie in der industriellen Moderne im ideologischen Rechtfertigungswettbewerb mit naturwissenschaftlichen und technischen Disziplinen, so scheint heutzutage die bereits von Schiller aufgeworfene Pragmatismusdebatte im Vordergrund zu stehen. Geisteswissenschaftler widerstreben einerseits der „Verkürzung des Menschen auf Marktfähigkeit “ (Otfried Höffe), streben also nach der Autonomie ihrer Tätigkeit von ökonomischen Gegebenheiten. Andererseits werfen sie der Gesellschaft häufig vor, genau aus diesem Grunde, nämlich deren Ökonomisierung, ihnen eine weitreichende Wirkmächtigkeit vorzuenthalten.
In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Biographie des Referenten als „Wanderer zwischen den Welten“. Auf ein aus reiner Neigung gewähltes Studium der Philoso-phie, das mit einer Magisterarbeit über das Verhältnis von Ökonomie, Ästhetik und Moral am Beispiel der Markenkommunikation abgeschlossen wurde, folgt nun eine völlig studienfachfremde berufliche Tätigkeit in einem internationalen Handelsunternehmen. Auch wenn der Verfasser zugeben muss, dass er im Taxi schon immer lieber einen Platz im Fond eingenommen hat, erfolgte die Entscheidung, eine Karriere in der freien Wirtschaft anzustreben, nicht nur aus materiellen Motiven. Vielmehr handelt es sich um die Auffassung, dass der Philosoph in guter sokratischer Tradition sich eben nicht nur unter lauter anderen Philosophen im Kreis bewegt, sondern den Marktplatz besucht. Und was Wittgenstein mit seinem berühmten Diktum „Denk nicht, sondern schau!“ auf die Sprache angewendet hat, bietet sich gerade im persönlichen Lebensweg als Maxime für den Umgang mit konkreten Sachverhalten an.
Es geht dabei nicht darum, die Reflexion etwa einzustellen, sondern sie – gewappnet mit dem systematischen Rüstzeug der philosophischen Methode – anhand konkreter, primärer Erfahrung in der Welt anzustellen. Gerade der Dialog mit anderen Lebenswelten erhält beim Verlassen der akademischen Welt plötzlich eine neue, Bedeutung, er wird im wahrsten Sinn des Wortes existenziell. „Denk nicht, sondern schau!“ bedeutet hier, nicht die Denkweise einer konkreten Person aufgrund theoretischer Überlegungen über deren Sozialisation und Lebenswelt zu antizipieren, sondern die Person einfach danach zu fragen. Diese Mischung aus dem erlernten Wissen über Denkstrukturen und dem Erleben derselben im konkreten Zusammenhang empfinde ich persönlich als große Bereicherung für mein Leben.
Doch natürlich verändert sich auch die Sichtweise auf die geisteswissenschaftliche Betätigung bzw. auf die Wahrnehmung der Welt, wie sie dort gepflegt wird, wenn man sie aus dem Blickwinkel des „Praktikers“ betrachtet. Die Frage nach Relevanz und Anwendbarkeit, Stärken und Schwächen der Geisteswissenschaften in der Praxis, sowohl bedingt durch ihr idealtypisches Selbstverständnis als auch im Hinblick auf ihre Methoden und Ergebnisse, möchte ich in sieben aphoristisch formulierten Thesen aus der Sicht eines Nichtwissenschaftlers wiedergeben:
1. Nicht wir dekonstruieren die Welt; die Welt dekonstruiert uns.
2. Es gibt nicht nur Richtiges im Falschen, sondern auch Falsches im Richtigen.
3. Es ist nicht verwerflicher, akademische Bildung als Handwerkszeug anzusehen,
als ein Auto als Mittel, um von A nach B zu kommen.
4. Das Misstrauen des Idealisten gegen den Pragmatiker und umgekehrt bedingen
sich gegenseitig.
5. Die größte praktische Schwäche der Geisteswissenschaften ist nicht ein fehlender,
sondern ein selektiver Praxisbezug.
6. Die größte praktische Leistung jeder Wissenschaft ist ihre Trivialisierung.
7. Die Annahme der fehlenden Wirkmächtigkeit der Geisteswissenschaften in der
Gesellschaft ist unzutreffend und entspringt einem gewissen akademischen
Solipsismus.
Zum Referenten:
Stefan Petzuch
30 Jahre
Studium der Philosophie an der Hochschule für Philosophie in München
Magisterarbeit zum Thema „Ästhetisierung von Werten in der Werbung“
Seit 2005 Marketing-Assistent in der Unternehmenskommunikation bei der Witt-Gruppe, Weiden
Auch durch die neueren Thesen von Hans Belting ist der Blick der Kunstgeschichte wieder in den Vordergrund getreten. Oft hört man vom “Kunsthistorischen Sehen”. Ich möchte versuchen, diesen Blick zu erklären um zu zeigen, was ihn vom “gewöhnlichen Sehen” unterscheidet. Doch ist es möglich, das Sehen und den Blick zu trennen? Die Frage nach der Wissenschaftlichkeit von etwas so subjektiven wie dem Blick sollte gerade als Kunsthistoriker gestellt werden.
Kann man mit einer Kunsthistorischen Ausbildung Kunstwerke “einfach nur schön” finden? Wie wirkt sich eine konstante Beschäftigung mit ästhetischen Fragen und historischen Einordnungen im Alltag aus?
Als angehende Kunsthistorikerin versuche ich sowohl diesen Fragen nachzugehen als auch mich mit dem Fach, seinen Fragestellungen, Unzulänglichkeiten und Idealen zu nähern. Da “die” Kunstgeschichte als Fach alle Kunstgattungen und Epochen umfasst, ist dieses Studium ohne ein ordentliche Portion Enthusiasmus nicht zu bestreiten. Wie lässt sich dieser aufrecht erhalten? Wird die Beschäftigung mit den schönen Seiten des Lebens, der Geschichte und der menschlichen Kreativität irgendwann Alltag? Ist es möglich, mit dem “Kunsthistorischen Blick” normal durch unsere vom Bild geprägten Welt gehen? Und vor allem: in wiefern ändert sich der Blick auf diese Welt durch die Ausbildung?
Heidrun Lange, Studentin der Universität Augsburg in den Fächern Kunstgeschichte, Geschichte der Frühen Neuzeit und Neuere Deutsche Literatur
Friedrich Schiller in seiner Antrittsvorlesung „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte“ als Professor für Geschichte an der Universität Jena 1789
Dieses Zitat aus Schillers Antrittsvorlesung – die laut zeitgenössischen Quellen wahre Begeisterungsstürme erweckte und wohl an jedem geisteswissenschaftlichen Seminar auch heute noch auf große Zustimmung stoßen wird – zeigt, dass der Konflikt zwischen „Brotgelehrten“ und „Philosophischen Köpfen“ – oder anders formuliert „Pragmatikern“ und „Idealisten“ – in der akademischen Welt wohl fast so alt ist wie diese selbst. Er wird dann besonders virulent, wenn akademische und außerakademische Welt aufeinandertreffen, sei es gesamtgesellschaftlich (z. B. bei Verteilungskämpfen um Bildungsetats) oder zwischenmenschlich (bei familiären Diskussionen hinsichtlich der Studienwahl).
Die Geisteswissenschaften sind von diesem Diskurs besonders betroffen. Standen sie in der industriellen Moderne im ideologischen Rechtfertigungswettbewerb mit naturwissenschaftlichen und technischen Disziplinen, so scheint heutzutage die bereits von Schiller aufgeworfene Pragmatismusdebatte im Vordergrund zu stehen. Geisteswissenschaftler widerstreben einerseits der „Verkürzung des Menschen auf Marktfähigkeit “ (Otfried Höffe), streben also nach der Autonomie ihrer Tätigkeit von ökonomischen Gegebenheiten. Andererseits werfen sie der Gesellschaft häufig vor, genau aus diesem Grunde, nämlich deren Ökonomisierung, ihnen eine weitreichende Wirkmächtigkeit vorzuenthalten.
In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Biographie des Referenten als „Wanderer zwischen den Welten“. Auf ein aus reiner Neigung gewähltes Studium der Philoso-phie, das mit einer Magisterarbeit über das Verhältnis von Ökonomie, Ästhetik und Moral am Beispiel der Markenkommunikation abgeschlossen wurde, folgt nun eine völlig studienfachfremde berufliche Tätigkeit in einem internationalen Handelsunternehmen. Auch wenn der Verfasser zugeben muss, dass er im Taxi schon immer lieber einen Platz im Fond eingenommen hat, erfolgte die Entscheidung, eine Karriere in der freien Wirtschaft anzustreben, nicht nur aus materiellen Motiven. Vielmehr handelt es sich um die Auffassung, dass der Philosoph in guter sokratischer Tradition sich eben nicht nur unter lauter anderen Philosophen im Kreis bewegt, sondern den Marktplatz besucht. Und was Wittgenstein mit seinem berühmten Diktum „Denk nicht, sondern schau!“ auf die Sprache angewendet hat, bietet sich gerade im persönlichen Lebensweg als Maxime für den Umgang mit konkreten Sachverhalten an.
Es geht dabei nicht darum, die Reflexion etwa einzustellen, sondern sie – gewappnet mit dem systematischen Rüstzeug der philosophischen Methode – anhand konkreter, primärer Erfahrung in der Welt anzustellen. Gerade der Dialog mit anderen Lebenswelten erhält beim Verlassen der akademischen Welt plötzlich eine neue, Bedeutung, er wird im wahrsten Sinn des Wortes existenziell. „Denk nicht, sondern schau!“ bedeutet hier, nicht die Denkweise einer konkreten Person aufgrund theoretischer Überlegungen über deren Sozialisation und Lebenswelt zu antizipieren, sondern die Person einfach danach zu fragen. Diese Mischung aus dem erlernten Wissen über Denkstrukturen und dem Erleben derselben im konkreten Zusammenhang empfinde ich persönlich als große Bereicherung für mein Leben.
Doch natürlich verändert sich auch die Sichtweise auf die geisteswissenschaftliche Betätigung bzw. auf die Wahrnehmung der Welt, wie sie dort gepflegt wird, wenn man sie aus dem Blickwinkel des „Praktikers“ betrachtet. Die Frage nach Relevanz und Anwendbarkeit, Stärken und Schwächen der Geisteswissenschaften in der Praxis, sowohl bedingt durch ihr idealtypisches Selbstverständnis als auch im Hinblick auf ihre Methoden und Ergebnisse, möchte ich in sieben aphoristisch formulierten Thesen aus der Sicht eines Nichtwissenschaftlers wiedergeben:
1. Nicht wir dekonstruieren die Welt; die Welt dekonstruiert uns.
2. Es gibt nicht nur Richtiges im Falschen, sondern auch Falsches im Richtigen.
3. Es ist nicht verwerflicher, akademische Bildung als Handwerkszeug anzusehen,
als ein Auto als Mittel, um von A nach B zu kommen.
4. Das Misstrauen des Idealisten gegen den Pragmatiker und umgekehrt bedingen
sich gegenseitig.
5. Die größte praktische Schwäche der Geisteswissenschaften ist nicht ein fehlender,
sondern ein selektiver Praxisbezug.
6. Die größte praktische Leistung jeder Wissenschaft ist ihre Trivialisierung.
7. Die Annahme der fehlenden Wirkmächtigkeit der Geisteswissenschaften in der
Gesellschaft ist unzutreffend und entspringt einem gewissen akademischen
Solipsismus.
Zum Referenten:
Stefan Petzuch
30 Jahre
Studium der Philosophie an der Hochschule für Philosophie in München
Magisterarbeit zum Thema „Ästhetisierung von Werten in der Werbung“
Seit 2005 Marketing-Assistent in der Unternehmenskommunikation bei der Witt-Gruppe, Weiden
Seitenblicke.
Ein Exkurs in die Welt des Kunsthistorischen Sehens.
Auch durch die neueren Thesen von Hans Belting ist der Blick der Kunstgeschichte wieder in den Vordergrund getreten. Oft hört man vom “Kunsthistorischen Sehen”. Ich möchte versuchen, diesen Blick zu erklären um zu zeigen, was ihn vom “gewöhnlichen Sehen” unterscheidet. Doch ist es möglich, das Sehen und den Blick zu trennen? Die Frage nach der Wissenschaftlichkeit von etwas so subjektiven wie dem Blick sollte gerade als Kunsthistoriker gestellt werden.
Kann man mit einer Kunsthistorischen Ausbildung Kunstwerke “einfach nur schön” finden? Wie wirkt sich eine konstante Beschäftigung mit ästhetischen Fragen und historischen Einordnungen im Alltag aus?
Als angehende Kunsthistorikerin versuche ich sowohl diesen Fragen nachzugehen als auch mich mit dem Fach, seinen Fragestellungen, Unzulänglichkeiten und Idealen zu nähern. Da “die” Kunstgeschichte als Fach alle Kunstgattungen und Epochen umfasst, ist dieses Studium ohne ein ordentliche Portion Enthusiasmus nicht zu bestreiten. Wie lässt sich dieser aufrecht erhalten? Wird die Beschäftigung mit den schönen Seiten des Lebens, der Geschichte und der menschlichen Kreativität irgendwann Alltag? Ist es möglich, mit dem “Kunsthistorischen Blick” normal durch unsere vom Bild geprägten Welt gehen? Und vor allem: in wiefern ändert sich der Blick auf diese Welt durch die Ausbildung?
Heidrun Lange, Studentin der Universität Augsburg in den Fächern Kunstgeschichte, Geschichte der Frühen Neuzeit und Neuere Deutsche Literatur
Mittwoch, 7. Januar 2009
Abstracts
Der Studierende als Showmaster oder Die Kunst, die Fragen
zu stellen, deren Antworten man schon weiß
zu stellen, deren Antworten man schon weiß
"Der Satiriker ist ein gekränkter Idealist: er will die Welt gut haben, sie ist schlecht, und nun rennt er gegen das Schlechte an." – Kurt Tucholsky „Was darf die Satire?“, in: „Berliner Tageblatt“, Nr. 36, 27. Januar 1919;
Vorbemerkung:
Die Hochschulen befinden sich in einem steten Reformprozess, wie auch in der Wissenschaft beständig neues Wissen produziert wird. Die Rolle, die den Studierenden hierbei zukommt ist eine mehrfache. Zunächst werden sie als zukünftige Wissensproduzierende ausgebildet, die dabei bestehende Theorie und Praxis zunächst konsumieren; später dann allerdings als Prosumierende sowohl Wissen konsumieren als auch (re-)produzieren. Ausgehend von einer Wissenschaftskritik, die von einer Selbstlegitimierung der Wissensproduktion an Hochschulen handelt, soll die Rolle der Studierenden in diesem Prozess näher betrachtet werden. Eine Pädagogik als konstruktive Wissenschaft beschäftigt sich mit dem Suchen nach Fragen und der Beantwortung dieser unter kritischer Betrachtung der Such-, Frage- und Beantwortungszusammenhänge.
Zum Thema:
Studierende an Hochschulen haben vielfältige Aufgaben und sind in viele Prozesse mit eingebunden, die sie mehr oder minder bewusst wahrnehmen. Eine dieser Aufgaben ist insbesondere, an der Produktion und Reproduktion des Wissens und der „Wahrheit“ der jeweiligen Wissenschaft Teil zu haben. Daraus ergibt sich der Anspruch diese Wahrheit, das bestehende Wissen sowie der Prozess deren Hervorbringung einer kritischen Reflexion zu unterziehen. Diese kritische Reflexion ist ein besonderes Merkmal der so genannten Geistes- und Sozialwissenschaften. Hier ergibt sich ein Spannungsfeld zwischen dem Anspruch an objektives bzw. objektivierbares Wissen und einem Verwertbarkeitsanspruch von Forschungsergebnissen und Wissen. Studierende werden mit dieser Spannung dann konfrontiert, wenn sie sich der Frage ausgesetzt sehen, warum sie denn studieren und wenn sie ein geisteswissenschaftliches Studium aufnehmen, was dann das spätere Berufsziel sei. Hier findet dann ein weiterer Zweig der Wissenschaft seine Bestimmung: Professionsforschung oder Identitätskonstruktion des jeweiligen Faches. Exemplarisch für die Sozialpädagogik sei hier folgendes Zitat:
„Lebensweltorientierte soziale Arbeit agiert in den gegebenen Verhältnissen immer im Zwiespalt zwischen entlastender, guter Selbstverständlichkeit und Verdrängung, Einschränkung; sie agiert mit der kritischen Frage danach, inwieweit sich Menschen in den gegebenen Verhältnissen realisieren können; sie drängt auch auf Veränderung und Verbesserung, begründet auf Wertungen. […] Lebensweltorientierte soziale Arbeit ist der schwierige Balanceakt zwischen Respekt und Veränderung, zwischen Respekt, Bewertung und Kritik, zwischen Respekt und Neugestaltung. Dieser Balanceakt ist um so heikler, als Sozialarbeit ihrerseits nur über die Mittel professioneller, institutioneller geregelter Hilfen verfügt.“ Thiersch, H.: Ganzheitlichkeit und Lebensbezug als Handlungsmaximen der sozialen Arbeit. In: Greese, D. et al.: Allgemeiner Sozialer Dienst. Votum: Münster 1993; S. 143 ff.
Übertragen auf die Theorie und Praxis des Studierendendaseins in so genannten intellektuellen Lebenswelten stellt sich die Frage, ob Studierende sich mit ihren jeweiligen individuellen Vorstellungen in den an der Hochschule gegebenen Verhältnissen realisieren können und inwieweit eine Neugestaltung bzw. Beteiligung am System Hochschule gegeben ist. Ein einfacher Weg ein Studium zum Abschluss zu bringen, ist es, möglichst unkritisch sich den Verhältnissen anzupassen bzw. diese so wenig wie möglich in Frage zu stellen. Bestehendes Wissen wird als gegeben hingenommen und keiner Überprüfung mehr unterzogen. Die Konstruktion der eigenen Identität beschränkt sich auf das Verhalten neben dem Fachstudium in Freundes- und Bekanntenkreis. Die in einem Studium angelegte Erwartung, nach dem Abschluss als so genannte Führungskraft zur Verfügung zu stehen, die eigene Entscheidungen verantwortungsvoll trifft, wird hier nur zum Teil erfüllt. Dennoch gilt ein Hochschulabschluss als ausgewiesenes Zeichen von Intelligenz und somit Elite. Diese Form von Macht bzw. Entscheidungsbefugnis wird als Versprechen angenommen und während der Studienzeit abgegeben an diejenigen, die diesen Prozess schon durchlaufen haben (= Hochschullehrende). Von daher beschränkt man sich während des Studiums darauf, Sachverhalte in Hausarbeiten und Klausuren aufzuarbeiten, die schon bekannt sind bzw. die schon bearbeitet worden sind. Die Kunst ist es, die eigene Fragestellung so geschickt zu wählen, dass man die Antworten schon vorhersagen kann, es aber dennoch innovativ und kreativ klingt. Ein solches Studium ist zügig und effizient zum Ende zu bringen und ökonomisch allemal. Was aber ist ein erstrebenswertes Studium für Studierende in den Geistes- und Sozialwissenschaften?
Hier seien nur kurze Stichpunkte bzw. Fragen genannt, die meines Erachtens wichtig sind, um sich den bestehenden Verhältnissen an der Hochschule nicht nur anzudienen, sondern selbst prosumierender Teil der Wissenschaft zu sein:
- Gibt es so etwas wie Wahrheit?
- Die beiden Kantischen Fragen „Was kann ich wissen?“ und „Was soll ich tun?“ dürfen nicht unabhängig voneinander betrachtet werden
- Erleichtert ein stetiges Infrage stellen der eigenen Position, des eigenen Faches und der dort gewonnenen Erkenntnisse eine Konstruktion von Identität, die nicht von vorneherein fragmentarisch sein muss?
- Ist es die Aufgabe von Studierenden Fragen zu stellen auf Antworten, die sie schon vorher
kennen?
Viele Fragen mehr noch gilt es, nicht nur als Studierender, zu stellen, auch wenn man die Antworten noch nicht kennt. Von daher stellt sich die Frage nach Theorie und Praxis intellektueller Lebenswelten als eine Frage der „richtigen Einstellung“ zur Wissenschaft und den angesprochenen Begriffen. Ob diese Forderung nach (selbst-)kritischer Reflexion eine spezielle Eigenart der Geisteswissenschaften oder der Studierenden an sich ist, darf stark bezweifelt werden. Eine Pädagogik, die sich kritisch-konstruktiv mit den angesprochenen Themen befasst, stellt nicht nur Antworten parat, sondern generiert auch neue, spannende Fragestellungen.
Michael Schmitt, 24 Jahre
seit 10/2003 an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, tätig in der Studierendenvertretung, HiWi
seit 10/2008 Diplom-Pädagoge Univ., derzeit Student Lehramt an beruflichen Schulen (Sozialpädagogik, Sozialkunde)
Diplomarbeit:
„… nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ (Schiller)
Politische und ästhetische Aspekte ganzheitlicher Bildung in der Theaterpädagogik.
Hochschulsemester 11, Fachsemester 1
Historiker als Stütze der Gesellschaft
Analyse von Herrschaftsbedingungen und Aktualisierung populärer Geschichtsbilder
In der geschichtswissenschaftlichen Forschung führt, im Unterschied auch zu anderen historischen Disziplinen, nahezu kein Weg an der Auseinandersetzung mit der Politik vorbei. Gerade im Rahmen neuerer Konzeptionen aber werden dabei politische Institutionen und Entscheidungen nicht mehr isoliert betrachtet, sondern zunehmend in den Kontext ihrer jeweiligen Herrschaftsbedingungen eingebettet. Nicht selten offenbaren sich im Zuge dessen hochkomplexe Zusammenhänge von gesetztem Recht und Ordnungsvorstellungen, wirtschaftlichen Erfordernissen und gesellschaftlichen Erwartungen, sowie drastische Unterschiede zwischen politischen Interessen und ihrer Durchführbarkeit. Nicht zuletzt die Debatte über den „Absolutismus“ lässt seit einigen Jahren politische Herrschaft zunehmend als gewissen Zwängen unterworfen erscheinen und verlangt zu ihrer Erforschung die Bewältigung sich immer weiter steigernder Komplexität ab.
Für den Wissenschaftler bzw. Studenten liegt es auf der Hand, dass sich derartige Rahmenbedingungen mit der Zeit gewandelt haben, sicher aber nicht verschwunden sind, sondern auch heutige politische Entscheidungsträger mit einem schwer durschschaubaren Netz an Abhängigkeiten konfrontieren. Ich will behaupten, dass das Wissen um die Existenz dieser Probleme unweigerlich auch zu gesteigertem Verständnis für die ansonsten gerne vielgeschmähten „Politiker“ führt – wenn schon nicht im Sinne konkreter Lösungsvorschläge (diese bleiben vielmehr eine überholte Idealisierung des Vermögens historischer Forschung), so doch wenigstens in Form geringerer Abneigung bis gesteigerter Sympathie.
Geschichte als Pflichtfach in der Schule, außerdem für viele Teil der Allgemeinbildung oder gar eine Art Hobby, beeinflusst allerdings nicht nur das Weltbild der wissenschaftlich tätigen Minderheit, sondern einer breiten Masse. Die oben angesprochene Komplexität hingegen ist dieser kaum vermittelbar und kann hier keineswegs dieselbe Wirkung entfalten. Populäre Geschichtsbilder, die neben der Vereinfachung und scheinbaren Faktizität vor allem das Problem der Langlebigkeit älterer Darstellungen mit sich tragen, sind nicht ohne weiteres durch aktuelle Forschungspositionen zu ersetzen. Die breite Aufmerksamkeit konzentriert sich nur zu seltenen Gelegenheiten auf die Reflexion des Verhältnisses von Geschichte und Gegenwart: in erster Linie unter dem Eindruck häufig krisenbedingter Unzufriedenheit, aber auch anlässlich historischer Jubiläen.
Erstere kann sich in hohem Maße schädlich auswirken, sofern die Rückbesinnung auf überholte Geschichtsbilder erfolgt, denen häufig mit den heutigen Umständen inkompatible Wertvorstellungen zugrunde liegen. Letztere dagegen stellen, auch aufgrund besserer Vorhersehbarkeit, eine nicht zu unterschätzende Chance für die Aktualisierung von Geschichtsbildern dar. Der für den Historiker so prägende wissenschaftliche Diskurs selbst kann dabei nicht anschaulich gemacht werden, wohl aber die Früchte desselben – was entscheidend ist: denn schon indem sie von der permanenten Reflexion der Forscher abhängen, somit also unter dem Einfluss aktueller Paradigmata und zeitgemäßer Vorstellungen konstituiert wurden, fällt bei ihnen das Angebot an anachronistischen Orientierungsmustern wesentlich geringer aus.
Das Bild von Geschichte als solcher bleibt bei Historikern und Nichthistorikern grundverschieden: Neuere Forschungspositionen werden weiterhin notgedrungen als Richtigstellung alter „Irrtümer“ präsentiert, neuere Forschungsansätze bleiben als Fingerübungen in Komplexität der Wissenschaft vorbehalten. Ihr Effekt aber, die tendenzielle Identifikation mit der Politik der Gegenwart, wirkt sich dennoch auf die vermittelten Inhalte aus. Statt der rückwärtsgewandten Verklärung historischer Zustände bietet die heutige Historiographie vor allem Darstellungen an, welche die politischen Grundlagen unserer Gesellschaft bejahen und ihre Entwicklung stützen.
Manuel Manhard, 22 Jahre
Student (Magister Artium) der Geschichte der frühen Neuzeit, Europäischen Ethnologie und Politikwissenschaft an der Universität Augsburg (7.Fachsemester)
seit WS 2006 studentische Hilfskraft und anschließend auch Tutor der Geschichte der frühen Neuzeit an der Universität Augsburg
Sozioprudenz.
Zu einer Neuakzentuierung der Kultur- und Sozialwissenschaften.
Der Beitrag stammt aus jüngeren Überlegungen, die Kultur- und Sozialwissenschaften als Disziplinengruppe neu zu definieren. Zentrum dieser Wissenschaftsgruppe wäre die Hochschulung kultureller und "sozialer Intelligenz" - in Abgrenzung zu den Naturwissenchaften (Schulung sachlich-technischer Intelligenz) und der Psychologie (Schulung intrapersonaler Intelligenz). Historisch meint das die Freilegung eines etwas verdeckten roten Fadens der Geistes- und Sozialwissenschaften - nämlich der Kunstlehre des Umgangs mit Menschen, die vom Renaissancedenker Castiglione (Hofmannskunst), vom Aufklärer von Knigge (Umgang mit Menschen) über den Romantiker Schleiermacher (Geselliges Betragen) und den soziologischen Klassiker Georg Simmel bis hin zu E. Goffman, systemtheoretischen (N. Luhmann) und differenztheoretischen Positionen (J.Derrida) reicht.
Seit der Renaissance impliziert diese unwahrscheinliche Kunst des Umgangs mit Menschen immer bereits nicht nur eine Sensitivität für verschiedene sozio-kulturelle Kontexte (also nicht nur: das Verstehen), sondern auch ein Können des Umgang mit Differenz (das Verhalten). Diese Akzentverschiebung in den Kultur- und Sozialwissenschaften hin zur Hochschulung kultureller und soziale Intelligenz ist u.a. mit zwei weiteren Thesen verbunden: Erstens ist die "Kunst des Umgangs mit Menschen" (zumindest im europäischen neuzeitlichen Kontext der Höfe und Städte) von Frauen induziert, deren kommunikativer Dauerdruck die männlichen Krieger in "Hofleute" verwandelt; zweitens erlaubt dieser Blick, eine Soziologie aus dem 'Geist der Oberschichten' zu rekonstruieren - ergänzend und korrigierend zu der konventionellen Herleitung der Soziologie aus der Problemlage unterer Schichten (Lösung der "sozialen Frage" etc.). Die Hauptabsicht ist, die praktische Relevanz einer so akzentuierten spezifischen Wissenschaftsgruppe in einer von tendenziell von Produktion auf Kommunikation (Dienstleistungen, intellektuelle Dauerbeobachtung, Medien, interkulturelle Kompetenz, Diplomatie) umgestellten gegenwärtigen Gesellschaft zu markieren.
Dr. Joachim Fischer
Dozent der Philosophie an der Otto-Friedrich-Universität-Bamberg
Dozent der Philosophie an der Otto-Friedrich-Universität-Bamberg
Sonntag, 4. Januar 2009
Call for Papers
Intellektuelle Lebenswelten.
Theorie und Praxis einer studentischen Laufbahn.
am 24.01.2009 von 10.00-18.00 Uhr in H/201
Das „Jahr der Geisteswissenschaften“ liegt hinter uns - die Diskussionen um deren Leistungs- bzw. Wirkmächtigkeit gehen weiter. Geisteswissenschaftliche Disziplinen stehen unter Rechtfertigungsdruck, obwohl sie Fähigkeiten schulen, die die heutige Berufswelt nachhaltig fordert. Dazu zählt das Vermögen zwischen den Zeilen lesen zu können, die eigene Perspektive zu relativieren, komplexe Problemstellungen zu analysieren, sie in größere Zusammenhänge einzuordnen und Ergebnisse und Lösungen prägnant zu formulieren. In “Nützlichkeitsdebatten“ sehen sich gerade junge Geistes- und Kulturwissenschaftler und -wissenschaftlerinnen sowohl auf ökonomischer und sozialer, als auch auf persönlicher Ebene mit Fragen nach der Relevanz ihrer Disziplin bzw. der Verwertbarkeit ihrer Ergebnisse konfrontiert.
Es erscheint uns also durchaus geboten, Bedeutung und Leistungen der Geisteswissenschaften zu reflektieren. Wer sich mit dem Menschen und seinen Äußerungen und Handlungen, deren Analyse und Interpretation befasst, bewegt sich ständig zwischen Welterklärung und Weltverklärung. Sie/Er findet sich in der Situation wieder, dass ihre/seine Einsichten in kulturelle, soziale bzw. anthropologische Verhältnismäßigkeiten eine unreflektierte Teilhabe an der Lebenswelt (bis in die Privatsphäre hinein) unmöglich erscheinen lassen. Paradox hieran ist, dass sie/er stets Beobachter und Beobachteter gleichzeitig ist, insofern sie/er genuiner Teil des eigenen Forschungsfeldes ist; das heißt also, dass die eigene wissenschaftliche Tätigkeit selbst einer wissenschaftlichen Reflexion bedarf.
Das erste Symposium des Arbeitskreises Europäische Ethnologie lädt Studierende, „Jung-Absolventen“ und Doktoranden der Fakultät GuK, sowie der Fächer Soziologie und Psychologie herzlich dazu ein, anhand von Theorien und Themengebieten oder Beispielen aus Seminar- und Abschlussarbeiten sowohl die eigenen Erfahrungen mit Theorie und Praxis der Fächer, als auch deren kritischer Reflexion im Hinblick auf die persönliche Lebenswelt zu präsentieren. Dabei stellt sich die Frage, wie sich je fachspezifische Wahrnehmungs- und Deutungsmuster in der eigenen Biographie und dem damit eng verbundenen wissenschaftlichen Handeln niederschlagen.
Inwieweit hat die Auseinandersetzung mit Denkbewegungen, die den Menschen zum zentralen Thema haben, Auswirkungen auf die eigenen Weltdeutungsmuster, die Art und Weise der Kommunikationsführung und -bewältigung, Argumentationsstrategien und letztlich auch auf persönliche Überzeugungen? Ist die erhöhte Konfrontationsfrequenz mit fachspezifischen Phänomenen der Tatsache geschuldet, dass man sich im Laufe seines Studiums quasi automatisch vermehrt mit derartigen Fragestellungen beschäftigt, oder ist sie vielmehr ein Produkt einer sich ändernden Wahrnehmung, die im Laufe des Studiums durch die Veränderung von Denkstrukturen auf bestimmte Reize sensibilisiert wird, so dass einschlägige Phänomene überhaupt erst als solche wahrnehmbar werden? Sind derartige Phänomene überhaupt „real“ bzw. welchen Realitätsgrad kann man ihnen zusprechen? Greift die postmoderne These, alles sei Interpretation bzw. kann man sich dieser als Studierender der Geistes- oder Kulturwissenschaften überhaupt entziehen; und wenn ja, wie? Wie verhält es sich mit der massenmedialen Vermittlung und gegebenenfalls Vereinfachung oder gar Verfälschung fachspezifischer Inhalte (z.B. in populären Wissenschaftsmagazinen des Fernsehens oder der Printmedien)? Wie beeinflusst diese Form der Wissensaufbereitung das wissenschaftliche Selbstverständnis? Welche Rolle spielen kulturkritische Perspektiven für Theorien und deren Anwendungen? Welche Identifikationsangebote liefern demnach die Geistes- und Kulturwissenschaften der Gesellschaft? Wie grundlegend ist die Utopie eines „absolut transparenten Menschen“? Welche Möglichkeiten haben sie, sich sinnvoll zwischen elitärer Schaumschlägerei und sozial relevanter Aufklärung zu positionieren?
Auf dem theoretischen Diskurs aufbauend soll aber auch die Verwertbarkeit der universitären Lehre in der persönlichen oder auch beruflichen Wirklichkeit reflektiert werden. Inwiefern erleben Studierende den in ihren jeweiligen Fächern gelehrten Stoff als wirklichkeits- und anwendungsbezogen, z.B. während der Vorbereitung von Examensarbeiten, in Praktika oder auch im alltäglichen Leben? Oder erfahren sie die Universität als „Elfenbeinturm“ der Wissenschaft, deren Methoden und Theorien kaum auf die Welt „da draußen“ angewandt werden können?
In einem 2005 erschienenen Aufsatz stellt der Volkskundler Gottfried Korff Fragen, welche die kritische Reflexion der dem Forscher und der Disziplin eigenen grundlegenden Positionen anregen, und bezieht sich dabei auf Richard Rorty, der die ständige Selbst- Neuerfindung des Wissenschaftlers durch ständige Selbst-Neubeschreibung fordert. Der (Selbst-)Analytiker, der sich dadurch auszeichnet, dass er erkennt, dass er selbst und das vor ihm da Gewesene einem ständigen Wandel ausgesetzt sind, ist somit der ideale Wissenschaftler (Rortys Konzept des Ironikers). Bei der Beschreibung des Früheren, Jetzigen und Möglichen liegt die Absicht nicht darin, ein allumfassendes Schema zu finden, sondern Autonomie zu erlangen.
Im Mittelpunkt der Betrachtungen steht konkret die Frage danach, wie junge Geistes- und Kulturwissenschaftler und -wissenschaftlerinnen mit der durch das Studium der Geisteswissenschaften neu geschaffenen Realität und den erlangten Möglichkeiten, diese zu bewerten, umgehen. Beziehungsweise: Welche Wirk- und Konstitutionsmächtigkeit des durch die Auseinandersetzung mit der Kultur als Forschungsfeld erlangten Wissens wird in den Alltag transportiert und verarbeitet?
Gebeten wird um Beiträge von 20-30 Minuten Länge. Diese sollen aufbauend auf einer kritischen Reflexion der eigenen Position „zwischen Theorie und Praxis“ der Geistes- und Kulturwissenschaften (also deren Einfluss auf persönliche Denkstrukturen, Weltdeutungsmuster etc.) die Frage nach deren Wirkmächtigkeit diskutieren. Abstracts im Umfang von ca. einer DINA4 Seite, sowie Daten zur eigenen Person (Alter, Studiengang, Fachrichtung, Semester, ggf. Thema der Abschlussarbeit bzw. Dissertation, etc.) sollten bitte bis einschließlich 14.12.2008 an a.depner(at)gmx.net oder katharina.scheffner(at)gmail.com geschickt werden.
Wir freuen uns auf euch,
die Mitglieder des Arbeitskreises Europäische Ethnologie
Theorie und Praxis einer studentischen Laufbahn.
am 24.01.2009 von 10.00-18.00 Uhr in H/201
Das „Jahr der Geisteswissenschaften“ liegt hinter uns - die Diskussionen um deren Leistungs- bzw. Wirkmächtigkeit gehen weiter. Geisteswissenschaftliche Disziplinen stehen unter Rechtfertigungsdruck, obwohl sie Fähigkeiten schulen, die die heutige Berufswelt nachhaltig fordert. Dazu zählt das Vermögen zwischen den Zeilen lesen zu können, die eigene Perspektive zu relativieren, komplexe Problemstellungen zu analysieren, sie in größere Zusammenhänge einzuordnen und Ergebnisse und Lösungen prägnant zu formulieren. In “Nützlichkeitsdebatten“ sehen sich gerade junge Geistes- und Kulturwissenschaftler und -wissenschaftlerinnen sowohl auf ökonomischer und sozialer, als auch auf persönlicher Ebene mit Fragen nach der Relevanz ihrer Disziplin bzw. der Verwertbarkeit ihrer Ergebnisse konfrontiert.
Es erscheint uns also durchaus geboten, Bedeutung und Leistungen der Geisteswissenschaften zu reflektieren. Wer sich mit dem Menschen und seinen Äußerungen und Handlungen, deren Analyse und Interpretation befasst, bewegt sich ständig zwischen Welterklärung und Weltverklärung. Sie/Er findet sich in der Situation wieder, dass ihre/seine Einsichten in kulturelle, soziale bzw. anthropologische Verhältnismäßigkeiten eine unreflektierte Teilhabe an der Lebenswelt (bis in die Privatsphäre hinein) unmöglich erscheinen lassen. Paradox hieran ist, dass sie/er stets Beobachter und Beobachteter gleichzeitig ist, insofern sie/er genuiner Teil des eigenen Forschungsfeldes ist; das heißt also, dass die eigene wissenschaftliche Tätigkeit selbst einer wissenschaftlichen Reflexion bedarf.
Das erste Symposium des Arbeitskreises Europäische Ethnologie lädt Studierende, „Jung-Absolventen“ und Doktoranden der Fakultät GuK, sowie der Fächer Soziologie und Psychologie herzlich dazu ein, anhand von Theorien und Themengebieten oder Beispielen aus Seminar- und Abschlussarbeiten sowohl die eigenen Erfahrungen mit Theorie und Praxis der Fächer, als auch deren kritischer Reflexion im Hinblick auf die persönliche Lebenswelt zu präsentieren. Dabei stellt sich die Frage, wie sich je fachspezifische Wahrnehmungs- und Deutungsmuster in der eigenen Biographie und dem damit eng verbundenen wissenschaftlichen Handeln niederschlagen.
Inwieweit hat die Auseinandersetzung mit Denkbewegungen, die den Menschen zum zentralen Thema haben, Auswirkungen auf die eigenen Weltdeutungsmuster, die Art und Weise der Kommunikationsführung und -bewältigung, Argumentationsstrategien und letztlich auch auf persönliche Überzeugungen? Ist die erhöhte Konfrontationsfrequenz mit fachspezifischen Phänomenen der Tatsache geschuldet, dass man sich im Laufe seines Studiums quasi automatisch vermehrt mit derartigen Fragestellungen beschäftigt, oder ist sie vielmehr ein Produkt einer sich ändernden Wahrnehmung, die im Laufe des Studiums durch die Veränderung von Denkstrukturen auf bestimmte Reize sensibilisiert wird, so dass einschlägige Phänomene überhaupt erst als solche wahrnehmbar werden? Sind derartige Phänomene überhaupt „real“ bzw. welchen Realitätsgrad kann man ihnen zusprechen? Greift die postmoderne These, alles sei Interpretation bzw. kann man sich dieser als Studierender der Geistes- oder Kulturwissenschaften überhaupt entziehen; und wenn ja, wie? Wie verhält es sich mit der massenmedialen Vermittlung und gegebenenfalls Vereinfachung oder gar Verfälschung fachspezifischer Inhalte (z.B. in populären Wissenschaftsmagazinen des Fernsehens oder der Printmedien)? Wie beeinflusst diese Form der Wissensaufbereitung das wissenschaftliche Selbstverständnis? Welche Rolle spielen kulturkritische Perspektiven für Theorien und deren Anwendungen? Welche Identifikationsangebote liefern demnach die Geistes- und Kulturwissenschaften der Gesellschaft? Wie grundlegend ist die Utopie eines „absolut transparenten Menschen“? Welche Möglichkeiten haben sie, sich sinnvoll zwischen elitärer Schaumschlägerei und sozial relevanter Aufklärung zu positionieren?
Auf dem theoretischen Diskurs aufbauend soll aber auch die Verwertbarkeit der universitären Lehre in der persönlichen oder auch beruflichen Wirklichkeit reflektiert werden. Inwiefern erleben Studierende den in ihren jeweiligen Fächern gelehrten Stoff als wirklichkeits- und anwendungsbezogen, z.B. während der Vorbereitung von Examensarbeiten, in Praktika oder auch im alltäglichen Leben? Oder erfahren sie die Universität als „Elfenbeinturm“ der Wissenschaft, deren Methoden und Theorien kaum auf die Welt „da draußen“ angewandt werden können?
In einem 2005 erschienenen Aufsatz stellt der Volkskundler Gottfried Korff Fragen, welche die kritische Reflexion der dem Forscher und der Disziplin eigenen grundlegenden Positionen anregen, und bezieht sich dabei auf Richard Rorty, der die ständige Selbst- Neuerfindung des Wissenschaftlers durch ständige Selbst-Neubeschreibung fordert. Der (Selbst-)Analytiker, der sich dadurch auszeichnet, dass er erkennt, dass er selbst und das vor ihm da Gewesene einem ständigen Wandel ausgesetzt sind, ist somit der ideale Wissenschaftler (Rortys Konzept des Ironikers). Bei der Beschreibung des Früheren, Jetzigen und Möglichen liegt die Absicht nicht darin, ein allumfassendes Schema zu finden, sondern Autonomie zu erlangen.
Im Mittelpunkt der Betrachtungen steht konkret die Frage danach, wie junge Geistes- und Kulturwissenschaftler und -wissenschaftlerinnen mit der durch das Studium der Geisteswissenschaften neu geschaffenen Realität und den erlangten Möglichkeiten, diese zu bewerten, umgehen. Beziehungsweise: Welche Wirk- und Konstitutionsmächtigkeit des durch die Auseinandersetzung mit der Kultur als Forschungsfeld erlangten Wissens wird in den Alltag transportiert und verarbeitet?
Gebeten wird um Beiträge von 20-30 Minuten Länge. Diese sollen aufbauend auf einer kritischen Reflexion der eigenen Position „zwischen Theorie und Praxis“ der Geistes- und Kulturwissenschaften (also deren Einfluss auf persönliche Denkstrukturen, Weltdeutungsmuster etc.) die Frage nach deren Wirkmächtigkeit diskutieren. Abstracts im Umfang von ca. einer DINA4 Seite, sowie Daten zur eigenen Person (Alter, Studiengang, Fachrichtung, Semester, ggf. Thema der Abschlussarbeit bzw. Dissertation, etc.) sollten bitte bis einschließlich 14.12.2008 an a.depner(at)gmx.net oder katharina.scheffner(at)gmail.com geschickt werden.
Wir freuen uns auf euch,
die Mitglieder des Arbeitskreises Europäische Ethnologie
Samstag, 3. Januar 2009
Symposium "Intellektuelle Lebenswelten. Theorie und Praxis einer studentischen Laufbahn."
Das 1. Symposium des AK Europäische Ethnologie findet am
24.01.2009 im H/205 (Hochzeitshaus, Am Kranen, Bamberg)
von 10.00-18.00 Uhr statt.
Hier finden Sie alle notwendigen Informatione, das vorläufige Programm und Kontaktadressen.
Bei Fragen oder zur Anmeldung melden Sie sich bitte bei
Arthur Depner a.depner(at)gmx.net oder
katharina.scheffner(at)gmail.com
Wir freuen uns auf eine rege Teilnahme und wünschen ein erfolgreiches Jahr 2009,
Liebe Grüße,
Katharina Scheffner
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